Ein Tag im Dreck

Ein Tag im Dreck

Das grausame Geräusch des Weckers ertönt morgens um vier. Der Zeigefinger bewegt sich langsam Richtung erlösender Schlummertaste um noch weitere fünf Minuten gewinnen zu können. Die Füße fühlen sich kraftlos an und können den müden Körper nur schwer aufrecht erhalten. Das grelle Licht ist kaum auszuhalten. Die Cornflakes fallen wie schwere Felsbrocken in die Schüssel. Die Milch tönt wie ein lauter Wasserfall. Das grüne Minzeblatt aus der Tube brennt wie höllisch auf der Zunge. Das T-Shirt, so schwer wie Blei. Zwei weitere Pullover, eine Jacke, eine kurze und eine lange Hose lassen einen schon früh morgens ins Schwitzen kommen. Der Geruch der Handschuhe vermitteln einem jeden Morgen mit was man es zu tun bekommt. Die Uhr schlägt drei Minuten nach halb fünf. Der kalte Windzug und das Summen des Motorrollers wecken den erstarrten Körper endgültig. 14 Minuten vor fünf - der Weg vom Abstellplatz zum Eingang scheint unendlich zu sein. Es ist still, sehr still - nur die knarrenden Kieselsteine sind zu hören. Kein Wölkchen verdeckt den funkelnden Sternenhimmel. Gleichzeitig streift ein kleiner Windhauch über die kalte Nase. Sehnsüchtig nach einem Heißgetränk werden die Schritte schneller und größer bis das grelle Licht des Aufenthaltsraumes endlich zu erkennen ist. Ein kleiner Erfolg früh morgens elf Minuten vor fünf. Der braune Kunststoffbecher mit dem heißen Kaffeeaufguss wärmt die Hände und durchströmt den Körper mit einem angenehmen, sanften Gefühl. Der anstrengenste Teil des Tages ist geschafft. Ein letzter Schluck noch und der wilde Ritt auf dem Lastwagen kann beginnen. Die lauwarme Luft aus der Heizung zaubert ein kleines Lächeln ins Gesicht, ebenso wie der erste, große Zug einer frisch gerollten Zigarette. Nach dem letzten großen Schwung geht es an das Ende des Presswagens. Ein Sprung auf das Trittbrett und der Tag beginnt wieder von neuem.
Mit aller Kraft fliegen die ersten Müllsäcke in die riesige Presse. Die Nase, überfordert mit all den Gerüchen, nicht einordbar der ganze Gestank. Sack für Sack beginnen die Hände schwerer zu werden und jeder Wurf wird zur noch größeren Herausforderung. Die Stunden vergehen und die Füße beginnen zu schmerzen. Das viele Auf- und Abspringen macht ihnen sehr zu schaffen. Jeder weitere Sack fühlt an, als wär er mit hunderten von Steinen befüllt. Die Kraft lässt nach, die Motivation und Konzentration ebenso. Nach ein paar Stunden ist der erste Biss in das wohlverdiente Wurstbrot eine Erlösung. Der Körper baut sich mit neuer Kraft auf und verleiht den Armen und Beinen neue Energie. 10.53 Uhr und es sind noch weitere drei Stunden zu absolvieren. Dennoch ein weiteres Aufbäumen und Sack für Sack für Sack beginnen sich die Straßen allmählich zu leeren. Die gelben Punkte werden immer weniger und weniger. Es neigt sich langsam dem Ende zu. Alles was Körper und Geist noch zu bieten hat wird nochmals zum Leben erweckt. Strotzend vor Energie werden die letzten Säcke in die Presse geworfen bis um 14.48 der letzte und schwerste Wurf des Tages über die Bühne geht.